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Pygmalion-Effekt in Lehre und Management

Der Pygmalion-Effekt beschreibt, dass die Grundhaltung von weisungsberechtigten Autoritäten gegenüber Weisungsempfängern die Leistung beeinflusst. Der Effekt wurde an Schulkindern entdeckt und kann auf die Arbeitswelt übertragen werden.

Können Menschen über sich hinauswachsen, wenn wir einfach Vertrauen und Wertschätzung in sie haben? Laut Pygmalion-Effekt ist genau das der Fall: Lehrer wurden durch die bestimmte Kategorisierung der Schüler dazu gebracht, besonders viel Arbeit in deren Entwicklung zu stecken und die Ergebnisse waren überraschend. Doch das Experiment aus den USA geriet schnell in die Kritik, zu ungenau seien die Leistungsmessungen gewesen, zu schnell ließen sich die Ergebnisse auf Fehler in der Methodik zurückführen. Und doch ist der Einfluss des Pygmalion-Effektes in vielen Bereichen des Lebens und der Arbeitswelt nachvollziehbar – auch wenn bestimmte Prämissen etwas angepasst werden müssen.

Was kann ein empirisches Experiment mit Grundschulkindern aus dem Jahr 1965 für moderne Managementmethoden in Unternehmen von heute bedeuten?

Pygmalion-Effekt in der Psychologie

Der Pygmalion-Effekt ist nach dem Königssohn und Bildhauer Pygmalion aus der griechischen Mythologie benannt. Nachdem dieser mit der Frauenwelt abgeschlossen hatte, verliebte er sich in eine von ihm angefertigte Elfenbeinstatue einer Frau. Die realistische Skulptur wurde mit etwas göttlicher Hilfe zum Leben erweckt und passte besser als die echte Damenwelt zu Pygmalion. Mit viel Liebe, Schweiß und etwas Hemdsärmeligkeit schaffte der Pygmalion also aus einem einfachen Material ein Stück Leben - doch wie lässt sich diese Mythe mit der Psychologie verbinden?

Pygmalion-Effekt: Das Experiment

In amerikanischen Grundschulen der 70er wurden die Kinder in verschiedene Gruppen eingeteilt, um die Lernfortschritte zu spiegeln und zu fördern. Mit dem Experiment zum Pygmalion-Effekt wollten die Psychologen Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson 1965 ergründen, ob diese Einteilung einen Einfluss auf die Lehrer hat und auch auf die Schüler zurückspiegeln würde.
Um den Effekt zu messen, wurde einige Schüler in Gruppen eingeteilt, obwohl die Leistung einiger nicht wirklich dieser Einteilung entsprachen - 20 Prozent der Gruppe wurden per Los ausgewählt. Den Lehrern teilte man mit, dass die kognitiven Fähigkeiten der Kinder beurteilt wurden, doch eigentlich wurden IQ-Tests abgelegt, um später die Entwicklung der Gruppe vergleichen zu können.

Das Ergebnis des Pygmalion-Experiments

Kinder, denen ungerechtfertigt hohe Fähigkeiten zugesprochen wurden, konnten größere Entwicklungssprünge absolvieren. Man könnte dabei annehmen, dass die Leistungssteigerung besonders gut funktioniert, wenn die Motivation der Ausbilder durch eine Verbesserung der Schüler belohnt wird. Dabei war dieser Effekt der Bestätigung von “unten nach oben” nicht ausschlaggebend. Die Lehrer gaben den Schülern nur aufgrund der falschen Bewertung mehr positive Rückmeldung, Aufmerksamkeit und Möglichkeiten zu lernen.

Kritisiert wurde die Methode, die zur Pygmalion-Definition führte: So sei der IQ-Test nicht für Kinder der Grundschule geeignet gewesen: In dem Ausgangstest erzielten die Kinder ein Ergebnis, welches eine geistige Behinderung indizierte.

Auch erklärte man, dass die Entwicklungssprünge bei nur wenigen Schülern außergewöhnlich waren und es sich eher um einen statistischen Effekt handelte.

In diversen Folgeuntersuchungen konnte der Effekt allerdings oft bestätigt werden - auch außerhalb der Grundschule.

Pygmalion-Effekt: Definition

Das Cambridge-Dictionary definiert den Pygmalion-Effekt wie folgt:

Der Pygmalion-Effekt beschreibt eine Verbesserung in der Leistung einer Person, wenn jemand die Erwartung in die Person legt, besonders gute Leistung zu erzielen.

Oft wird der Effekt auch als “selbsterfüllende Prophezeiung” bezeichnet. 

Beim Pygmalion-Effekt muss dahingehend abgegrenzt werden:

  • Beim Pygmalion-Effekt geht die hohe Wertschätzung von der übergeordneten Person aus. Es wird auch von “der höheren Schicht” gesprochen. 
  • Es macht keinen Unterschied, ob die Schulkinder wussten, dass Sie ungerechtfertigt höher eingeschätzt wurden oder nicht.
  • Besonders groß war der leistungssteigernde Effekt in der Gruppe der “Underachiever”, die per Los ausgewählt wurde. 
  • Das Feedback der Lehrer war dasselb, wie in der Gruppe, die wirklich bessere Leistungen zeigte und zurecht eingeordnet wurde.
  • Die Rolle der Wahrnehmung durch die Lehrer ist groß: Auch die äußere Erscheinung “schöne Kinder” und eine positive Bewertung des Charakters der Kinder durch die Lehrer konnten sich positiv auf das Endergebnis auswirken.

Wechselseitige Beziehungen

Besonders stark schien der Effekt in dem Zeitraum, in dem die Lehrer die Schüler nur durch die Einteilung vom Papier kannten. Sobald Lehrer sich selbst ein Bild von der Leistung der Kinder machen konnten, verlor die ursprüngliche Einteilung an Bedeutung für die Methodik und Performance der Lehrkörper.

Obwohl diese wechselseitige Motivation für den Pygmalion-Effekt ursprünglich keine Bedeutung haben sollte, ist diese nicht abzustreiten. So sind die Lehrer voller Optimismus, wenn sie vor der Gruppe der leistungsstarken Schüler stehen und erwarten (im übertragenen Sinn), aus dem rohen Material wertvolle Diamanten zu schleifen, doch verstärkt sich der Effekt, wenn die Erwartungshaltung der Lehrer bestätigt wird und fällt ab, wenn sich herausstellt, dass die wahre Leistungsbereitschaft der kleinen Überflieger enttäuscht.

So wird in vielen Modellen der Erziehung oder der Mitarbeitermotivation der Pygmalion-Effekt um den Faktor der Wechselseitigkeit ergänzt.

Was bedeutet der Pygmalion-Effekt für Unternehmen

In Bewerbungsschreiben und dem Bewerbungsgespräch verkaufen sich angehende Mitarbeiter immer besonders positiv. Und obwohl die Erwartungshaltung manchmal größer ist, als die Realität es am Ende bestätigt, scheint der Pygmalion-Effekt auch bei Erwachsenen gut zu funktionieren.

An der Te Aviv Universität konnte der Professor Dov Eden den Pygmalion-Effekt in verschiedenen Arbeitsgruppen bestätigen, wie das Magazin “Psychology Today” bereits im Jahr 2009 darstellte. “Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen” - Wie in “My fair Lady” lassen sich Personen und auch deren Ergebnisse und Bereitschaften bis ins Erwachsenenalter positiv, aber auch negativ beeinflussen. Daraus erwächst eine Verantwortung für Vorgesetzte und Management.

Pygmalion-Effekt im Management: Ergebnisse “zu schön, um wahr zu sein”

Die Ergebnisse der Metastudie zum Pygmalion-Effekt von Professor Dov Eden wurden von ihm als überraschend zusammengefasst.

Effektivste Ergebnisse in der Managementlehre erzielten demnach Techniken, die auf den Pygmalion-Effekt, Motivation und Bestätigung aufbauen. Wie in den US-Grundschulen konnten auch diverse Teams ihre Ergebnisse verbessern, wenn Manager und Chefs eine positive und motivierende Grundhaltung hatten. Das funktioniert also selbst dann, wenn diese Bewertung nicht gerechtfertigt ist. Schwer wird das für Projektleiter und Manager, wenn Mitarbeiter diese Rolle dann nicht erfüllen - Durchhalten ist dann empfohlen, denn auch das Gegenteil ist der Fall. 

Der “Gegenspieler” zum Pygmalion-Effekt ist der Golem-Effekt. Laut diesem ist auch das zu erwartende Ergebnis schlechter, wenn Vorgesetzte und Management eine demotivierende Grundeinstellung gegenüber einem Team oder einem Projekt zeigten und Personen schlecht einschätzen.

Wer Positives wagt, gewinnt

Eine positive Grundhaltung hat Auswirkungen auf die Ergebnisse der Arbeit. Dazu gehört neben Lebensfreude auch die bewusste Steuerung des Mindsets zur positiven Denkweise, die Ergebnisse vor allem qualitativ aber auch quantitativ beflügeln kann. Das konnte auch Shawn Achor in seinen Studien an der Oxford-Universität beweisen.

Pygmalion-Effekt und neue Aufgaben fürs Management

Die Bedeutung des Pygmalion-Effektes in Lehre und Arbeit sind für das Management wie folgt zu beschreiben: Mit einer positiven und motivierenden Grundhaltung werden die zu erwartenden Ergebnisse beeinflusst.

Dafür müssen Manager und Teamleiter:

  • eine positive Grundhaltung zeigen
  • eine hohe Erwartungshaltung haben
  • Mitarbeitern viel positives Feedback geben
  • Räume zur Verbesserung finden
  • innerbetriebliche und außerbetriebliche Bildungsmaßnahmen unterstützen
  • Motivationstechniken lernen
  • sich nicht von Leistungstiefs beeinflussen lassen 
  • jedes neue Projekt wie einen Neustart bewerten
  • hinter dem Team stehen

Bei all der Motivation und dem Positivismus ist es allerdings wichtig, dass man nach wie vor eine sachliche Bewertung der Leistung Einzelner beibehält. Leistungskurven gehören im Alltag dazu und Fehler sind menschlich. Doch bei dauerhaft schlechter Leistung, die den Erfolg gefährden kann, geht es darum, mit Fingerspitzengefühl einzuschreiten.

Immer wieder eine Chance zu sehen, die Stärken des Teams zu kennen und die Fähigkeiten einzelner zu unterstützen und auszubauen verspricht bei einer motivierenden Grundhaltung und den richtigen Motivationstechniken also Erfolge.

Pygmalion für Erfolge in Unternehmen

Der Weg von einem leblosen Stück Elfenbein zum Menschen bis hin zum Underachiever, der mit guter Motivation und Chancen über sich hinauswächst, scheint nur auf den ersten Blick weit und steinig. Gute Manager und auch Mitarbeiter beeinflussen sich gegenseitig. Dank einer motivierten und motivierenden Grundhaltung werden deutliche Signale gesendet, die sich auf die eigene Arbeit und die Ergebnisse anderer auswirken und sich in wechselseitigen Beziehungen immer weiter begünstigen.

Diese wechselseitige Beeinflussung von Vorgesetzten und Mitarbeitern ist ein wichtiges Gut, um neben einer Verbesserung der Ergebnisse auch ein angenehmes Klima im Unternehmen zu pflegen - das vielen Mitarbeitern fast so wichtig ist, wie ein gutes Gehalt.