Magazin

Arm trotz Arbeit - Geringverdiener & Geringverdienergrenze in Deutschland

Wie viel verdienen Geringverdiener? Was ist die Geringverdienergrenze? Und was ist das Paradoxe am Geringverdiener-Dasein? Gehalt ist nicht der einzige Grund, die Arbeit zu schätzen. So gaben laut Spiegel.de 75 Prozent europäischer Arbeiter im Jahr 2015 an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein, wobei nur 50 Prozent mit ihrem Gehalt glücklich waren. Ein wichtiger Faktor ist jedoch, dass das Geld zum Leben genügt - und da überraschen die Zahlen weniger positiv.
 

Denn die Zahl der Personen, die trotz Arbeit armutsgefährdet sind, stieg in Deutschland von 2004 bis 2014 von 1,9 Millionen Menschen auf 4,1 Millionen an - schlechtester Wert im europäischen Vergleich. Wie hoch ist die Geringverdienergrenze? Ist sie wie im Fokus behauptet, mit der Armutsgrenze gleichzusetzen? Was bedeutet es für Menschen, Geringverdiener zu sein und welche Chancen gibt es, aus dem Teufelskreis aus Niedriglohn und Förderungen auszubrechen?

Was sind Geringverdiener?

Im Focus-Bericht, der sich auf Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung bezieht, wird der Begriff Geringverdienergrenze im Zusammenhang mit der Armutsgrenze genannt. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient, fällt in die Kategorie Geringverdiener. Welche wichtigen Aspekte sind noch zu beachten?

Geringverdienergrenze nach Sozialversicherungsrecht

Obwohl die Bezeichnung des Geringverdieners im Gesetz nicht direkt erwähnt ist, wird im vierten Buch des Sozialgesetzbuches § 20 Abs. 3 SGB IV ein Wert definiert, der im Sozialversicherungsrecht in die Kategorie Geringverdienergrenze fällt. Das Gesetz geht von einer monatlichen Einkommensgrenze von maximal 325,- Euro aus. Darunter fallen Auszubildende, Teilnehmer eines freiwilligen sozialen Jahres, eines freiwilligen ökologischen Jahres, Zivildienstleistende und Versicherte nach Jugend- und Bundesfreiwilligendienst. Erhalten Personen ein Geringverdiener-Einkommen, das unter diese Einkommensgrenze fällt, hat dies Folgen für die Zahlung der Sozialversicherung:


"Die Mittel der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung werden nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und durch sonstige Einnahmen aufgebracht." § 20 Abs. 3 SGB IV

Geringverdiener im allgemeinen Sprachgebrauch

In der allgemeinen Bedeutung kann das Gehalt eines Geringverdieners nach unterschiedlichen Grenzen variieren. Genutzt wird die Bezeichnung Geringverdiener in Medien, der Politik oder dem Volksmund oft, ohne eine feste Grenze zu definieren. Als Geringverdiener gelten dabei allgemein alle Menschen, deren Einkommen nicht zur Deckung der minimalen Kosten, also zum Erwerb der lebensnotwendigen Ressourcen genügt. Darunter fällt beispielsweise die Zahlung von Miete, Lebensmitteln oder Kosten für Medikamente.

Geringverdienergrenze und Armutsgrenze

Diese Armutsgrenze variiert je nach Region, in der die Menschen leben. Während z. B. ein Gehalt von 1.000,- Euro pro Monat in einigen Entwicklungsländern ein gutes Leben ermöglicht, fällt es in Deutschland in die Kategorie "armutsgefährdet". Die Armutsgrenze, die mit dem Begriff Niedriglohngrenze in den Wissenschaften verglichen wird, richtet sich nach dem Medianeinkommen. Nach Zahlen von Eurostat lag das Medianeinkommen in Deutschland im Jahr 2018 bei 22.713,- Euro, also 1.892,75 Euro monatlich. Laut Hans-Böckler-Stiftung, welche dem Deutschen Gewerkschaftsbund nahesteht, liegt die Armutsgrenze bei 60 Prozent dieses Medians - 1.135,65 Euro monatlich. Auch laut OECD-Definition ist Niedriglohn alles, was unter zwei Dritteln des Medians anzusiedeln ist. Die Geringverdienergrenze nach Sozialversicherungsrecht liegt also weit unter dieser Armutsgrenze. Und auch Minijobber, welche bis zu 450 Euro pro Monat beziehen, fallen über diese Geringverdienergrenze, müssen also selbst Sozialversicherungsbeiträge leisten und befinden sich doch unter der Armutsgrenze. Doch von weniger als 350,- Euro pro Monat leben? Das ist auch für Sparfüchse unmöglich.

Geringverdiener ab 2019 - mehr Geld in Midijobs

Auch die Politik befasst sich mit der Geringverdienergrenze. Definiert wurde diese z. B. im Rahmen der Abgaben der Sozialversicherung für Geringverdiener in sogenannten Midijobs. Ab Juli 2019 beträgt diese Geringverdienergrenze 1.300,- Euro. Als Midijob zählte also eine Anstellung, bei welcher der Verdienst zwischen 450,01 und 1.300,- Euro monatlich lag. Vorher war die Obergrenze bei 850,- Euro.Weitere Informationen zu Abgaben und Rechten stellte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der PDF-Broschüre "Geringfügige Beschäftigung und Beschäftigung im Übergangsbereich" zur Verfügung.


Geringverdiener und das Förderungsparadoxon: Ab wann lohnt sich Arbeit?

Die Entlastung von Arbeitern mit relativ geringem Einkommen war ein Grund dafür, dass die Übergangszone eingerichtet wurde. Auch sollte Arbeit an sich wieder attraktiver werden. In einigen Situationen rechnet es sich nämlich für Beschäftigte nicht, wenn die Anzahl der Arbeitsstunden aufgestockt wird. Der Grund ist, dass über einem bestimmten Limit Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder die Verringerung der Abgaben wegfallen und trotz mehr Arbeit weniger Geld übrig bleibt. Die Folge ist, dass einige Personen in den Geringverdiener-Positionen bleiben. Das Paradoxon sorgt dafür, dass die Staatskassen belastet werden, da Menschen zwar dank der Beschäftigung aus den Arbeitslosenstatistiken verschwinden, doch vom Gehalt nicht leben können und Sozialleistungen beziehen. In einem Artikel aus dem Jahr 2018 folgte die Zeit Online dem Beispiel eines Geringverdieners, welcher bei einem Einkommen von 24.000,- Euro brutto im Jahr von einer 100,- Euro Gehaltserhöhung 95 Prozent abgeben musste. Ab 27.900 Euro pro Jahr müsse der Geringverdiener insgesamt auf 4.080,- Euro pro Jahr verzichten, da auch das Kindergeld entfalle.

Situation in Deutschland: Paradox aber glücklich?

Dank des Sozialsystems bietet sich in Deutschland zwar dieses Paradoxon als Hemmschwelle dazu, eine besser bezahlte Position anzunehmen oder mehr arbeiten zu gehen, doch muss man auch bedenken, dass es diese Wahl in vielen Ländern nicht gibt. Bildungsferne Schichten müssen - beispielsweise in den USA und Entwicklungsländern - oft mehr als zwei Jobs annehmen. Zeit für Familie bleibt dann nicht und sind darüber hinaus ältere oder kranke Angehörige zu pflegen, stehen die Betroffenen vor einer kaum zu bewältigenden Aufgabe. 

Die Situation wird also von vielen als Bremse für bestimmte Arbeitnehmer angesehen. Einige wirtschaftsliberale Kritiker fordern darum, die Sozialleistungen für "Faule", also Arbeiter, die sich der Mehrarbeit verwehren, zu kürzen. Die Zahlen im europäischen Vergleich zeigen dabei, dass in Deutschland dringender Aufholbedarf herrscht und für viele nur schwer von Luxus die Rede sein kann. Ob Geringverdiener, die irgendwie durch den Monat kommen, oder Menschen, für die das Geld zum Leben oder die Kinder nicht reicht - Armut macht krank und erscheint einigen Menschen als ausweglos. Als Lösung, die eine Steigerung der Armut verhindert, könnten Sozialleistungen besser aufeinander abgestimmt werden. Arbeit an sich vermittle dann das Gefühl, eine Bereicherung für das Konto und das Leben zu sein.

Höhe des Gehalts in eigenen Händen

Die Frage des eigenen Lebensstils ist, ob man das Geld dafür hat oder die Zeit damit verbringt, jedem Euro nachzujagen. Die Hemmschwelle, welche durch den Bezug von Sozialleistungen entsteht, garantiert, dass die Armut in Deutschland nicht auf einem Level wie in Entwicklungsländern mit schwachem Sozialsystem ausfällt. Ein weicherer Übergang zwischen einem geringen Einkommen mit dem Bezug von Sozialleistungen für Geringverdiener bis hin zu einem Einkommen, bei dem man gut und gern auf Sozialleistungen verzichtet. Dies könnte als Anreiz geschaffen werden, um Menschen, die sich bewusst gegen Mehrarbeit oder Karriere entscheiden, die Hemmung zu nehmen und Anreize zu schaffen – denn die Entscheidung für ein besseres Leben und die erforderliche Motivation kann letztendlich nur aus den Betroffenen selbst kommen.

Aufstiegsfortbildungen und Teilzeitlösungen: faires Einkommen in wenigen Monaten

Zahlreiche Möglichkeiten der Ausbildung, Fort- und Weiterbildung sowie des Studiums bieten in Deutschland Chancen, die Profession und Interessen zu Geld zu machen und von einer Karriere privat und beruflich zu profitieren. Wollen Sie lieber bei einem Gehalt von unter 24.000 Euro brutto Sozialleistungen beziehen, oder geförderte Modelle der Bildung nutzen und in attraktiven Beschäftigungsverhältnissen monatliche Gehälter erzielen, die über dem Durchschnittseinkommen in Deutschland liegen?