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Stress auf Arbeit – Grund für Krankschreibung?

Hochdruck, bis nichts mehr geht: Zuviel Stress im Job schadet der Gesundheit – Krankschreiben wegen Stress auf der Arbeit und in der Pandemie ist möglich, doch keine dauerhafte Lösung. Wie gelingt die Neuausrichtung bei Stress auf Arbeit und während der Corona-Pandemie?

Mit jedem neuen Tag beginnt der Spießrutenlauf: Das Telefon klingelt ununterbrochen, als würde es die unmöglichen Vorgaben für das Quartal noch erschweren wollen. Nichts gelingt und aufgrund der vielen Arbeit wirkt auch die Atmosphäre und das Miteinander wie vergiftet. Stress am Arbeitsplatz betrifft immer mehr Menschen, Krankenkassen verzeichnen seit Jahren ein Wachstum der Krankschreibungen wegen Stress. Mit der Coronapandemie wurden diese Probleme verschärft und erfordern in Lockdown und mit Einschränkungen neue Perspektiven auf bekannte Lösungen.

Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass vor allem Personen, die bereits unter Stressbelastungen leiden, vom Mix aus Homeoffice, Kinderbetreuung und Unsicherheit über die Zukunft nach der Pandemie belastet werden. Was sind Auslöser für Stress am Arbeitsplatz? Wie können Betroffene Stress mindern und im besonderen Szenario und dem Ausnahmezustand auch im härtesten Lockdown die Gesundheit schonen und die Krankschreibung wegen Stress verhindern?

Zu viel Stress im Job – zwischen Corona, Tinnitus und Astronauten

Stress bezeichnet einen Zustand der Unruhe. Die Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin werden freigesetzt. Der Körper gerät in Alarmzustand. Im Gegensatz zu den frühen Menschen können wir unserem Alltag nicht einfach entfliehen und die sicherere Höhle aufsuchen. Im Gegenteil: wirklich persönlich zu Stress stehen möchte laut Angaben der Ärztezeitung kaum jemand, da dies auf Unfähigkeit oder Überforderung im Beruf hindeuten und mit Konsequenzen für den Arbeitsplatz verbunden sein könnte. Die Dunkelziffer derer, die sich wegen Stress krankschreiben lassen, aber andere Symptome nennen, dürfte also groß sein.
Bei anonymen Umfragen für den Stressreport 2019 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gaben dagegen knapp 80 Prozent der Befragten an, an ihren Belastungsgrenzen tätig zu sein. Dabei ist im Trend zwar zu beobachten, dass einige Stressindikatoren abnehmen, doch die Menge der Personen ansteigt, die sich dem Stress subjektiv ausgesetzt sieht. Der Trend der Mehrfachbelastung verzeichnet ein Wachstum und dürfte auch in der Corona-Zeit eine komplett neue Dimension erreicht haben.

Psychische Belastung unter Corona verschärft

Die Pandemie schafft neue Arten der Stressbelastung im Homeoffice und am Arbeitsplatz. Untersuchungen mit Patienten, die stressbedingt unter Tinnitus leiden, haben gezeigt, dass sich die Symptome bei etwa 40 Prozent der bereits Betroffenen verschlimmerten, doch die Zahl der Neuerkrankungen nicht signifikant zunahm. Krankmeldungen aufgrund psychischer Symptome hätten laut Daten aus Europa und Afrika schon in der ersten Hälfte des Corona-Jahres 2020 deutlich zugenommen. Betroffen seien laut Untersuchungen vor allem Frauen und junge Menschen. Zwar hätten sich die Zahlen im Verlauf etwas stabilisiert, seien aber nach wie vor nicht auf dem Niveau wie vor der Pandemie.

Ausnahmezustand im Stress

Besonders im Lockdown fällt es vielen schwer, zwischen den verschiedenen Realitäten des Lebens eine klare Linie zu ziehen. Der Arbeitsplatz, Kindergarten oder die Schule sind nun alle an einem Ort. Es erfolgt kaum ein Tapetenwechsel zwischen Arbeit und Privatleben. Dabei erleben viele eine Mehrfachbelastung: Kinderbetreuung und Arbeit im Homeoffice verschwimmen für manche nahtlos mit dem Feierabend. In der Gesellschaft zeichnet sich ab, dass die Einkommens- und Bildungsschere sich weiter öffnen. Auch Errungenschaften der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau leiden.

So genannte bildungsferne Schichten und Geringverdiener seien davon besonders betroffen. Wenn in einer kinderreichen Familie nur ein Computer zur Verfügung steht und sich alles auf engstem Raum abspielt, ist die Stressbelastung riesig. Die individuellen Fähigkeiten werden in diesem Szenario nicht gefördert. Geringverdiener leiden am meisten unter Einkommenseinbußen, was das Gefühl der Unsicherheit über die Zukunft und Stress durch den finanziellen Notstand noch weiter schürt und Stress verursacht.

Was hilft gegen Stress? 5 Tipps und Lockdown-Hilfe von Astronauten

Um Stress auf Arbeit zu bekämpfen und zu viele stressbedingte Krankschreibungen zu vermeiden, helfen aktive Entspannungsübungen, Pausen und gute Planung. Das funktioniert auch während eines Corona-Lockdowns, wie der deutsche Astronaut Alexander Gerst bereits zu Anfang der Pandemie betonte. Zwischen der Isolation auf einer Raumstation und der in den eigenen vier Wänden lassen sich durchaus Parallelen ziehen.

1. Für Ausgleich sorgen

Hobbys sind eine willkommene Abwechslung für den Alltag. Vom Briefmarkensammeln über Kreuzworträtsel bis zum Marathonlauf bietet ein Hobby die Möglichkeit, in eine andere Welt einzutauchen und das Arbeitsleben zu vergessen. Die bewusste Beschäftigung mit dem Lieblingsthema sorgt für Entspannung und Glücksgefühle. Ausgleich bietet auch die Natur. Der Spaziergang an einem Fluss, das Abschalten im Wald oder einem Park sollten. Empfehlungen geben vor, dass etwa 7.500 Schritte am Tag die Gesundheit fördern.

Ausgleich im Lockdown

Im Lockdown sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, die mit der Situation vereinbar sind. Spazieren gehen oder Joggen sind optimal, um vom Homeoffice abzuschalten und einen klaren Strich zwischen Beruf und Privatleben zu ziehen. Einige Fitness- und Yogaübungen bieten auch innerhalb der vier Wände Abwechslung. Fitness und Sport fest in den Tagesablauf einzuplanen, unterstützt eine gewisse Routine, die Sicherheit und Planbarkeit empfinden lässt. Ausgleich ist auch zwischen Partnern und Bewohnern eines Haushaltes wichtig: Aufgabenverteilung schafft Freiräume für alle.

2. Aktiv entspannen

Modelle für effektives Arbeiten empfehlen es, jede Stunde eine kleine Pause einzulegen. Entspannen Sie immer wieder aktiv: Musik hören, bei der Meditation mal an nichts denken, den Raum verlassen oder einfach am Fenster oder auf dem Balkon dösen.

Entspannen auch während der Pandemie

Um die Entspannung im voll besetzten Haus im Lockdown zu ermöglichen, müssen Sie alle mit an Bord holen. Nutzen Sie Zeiten für Passivität und Entspannung, in denen sich die Jüngsten mit Hausaufgaben beschäftigen oder mal mit Kopfhörern ein Video gucken, das vielleicht sogar auf dem Unterrichtsstoff aufbaut. Zum Ausgleich dieser Ruhephasen planen Sie auch aktive Zeiten ein, in denen Sie Ihren Kindern zu helfen und kommunizieren diese Zeitfenster deutlich. Sollte der Lärmpegel überwiegen, schaffen Ohrenstöpsel oder Noise Cancelling Kopfhörer für wichtige Minuten der Ruhe.

3. Am Mindset arbeiten

Manchmal macht es keinen Sinn, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen – und das muss auch vermieden werden. Die zentrale, doch nicht immer einfache Aufgabe ist, Probleme so zu ordnen, dass es Sinn macht, über diese nachzudenken. Welche Dinge kann man ändern? Ist die Arbeitslast zu groß, erwarten Stressgeplagte laut Stressreport häufig Hilfe der Vorgesetzten. Doch auch Partner und Kollegen könne dabei helfen, die Last neu zu verteilen oder Kapazitäten für die Arbeit zu gewinnen.

Alltag im Homeoffice neu denken

Was kann man ändern, was muss man akzeptieren? Sich dabei in einem großen Gerüst von Unklarheiten zur eventuellen Dauer des Lockdowns, der Pandemie oder des Lebens danach zu verrennen, erhöht den Druck. Vielmehr stellt sich die Frage, wie der Alltag mit Homeoffice effektiver oder angenehmer werden kann und wie alle im Lockdown-Haushalt an einem Strang ziehen. Selbst definierte Regeln sind dafür die Voraussetzung.

4. Soziale Beziehungen aktiv gestalten

Mitmenschen sind für die psychische Gesundheit wichtig. Soziale Kontakte erweitern unseren Horizont und machen uns klar, dass wir nicht die einzigen Betroffenen sind. Auch eröffnet die Fremdperspektive neue Lösungen und kreative Ideen, wie mit dem Lockdown und dem allgemeinen Stress auf Arbeit und Zuhause umzugehen ist.

Mit Mutti an der Webcam

Planen Sie Zeiten mit Familie, Freunden und Kollegen an der Webcam ein. Gemeinsame Spieleabende, ein Quiz, sogar gemeinsames Essen oder eine Weinverkostung sind am PC möglich. Die Ferne mag sich am Anfang etwas komisch anfühlen, doch gewöhnen sich auch technisch wenig versierte Personen bei gewisser Regelmäßigkeit an das neue Miteinander.

5. Genuss und Verzicht

Alkohol und Betäubungsmittel werden von einigen stressgeplagten Menschen als Trostpflaster genutzt. Etwa 40 Prozent gaben in der Global Drug Survey an, mehr zu trinken. Dieses Verhaltensmuster ist kritisch, da der Alkohol so auf neue Arten Einzug in den Alltag erhält und omnipräsent wird. Genuss und Verzicht sollten sich abwechseln: Zwei Tage fasten, gesund essen und sich am dritten Tag der Völlerei hingeben – das bewahrt das Gleichgewicht und ist eine gesunde Art, sich wie bei einer Diät auf 1-2 Cheat-days pro Woche zu freuen.

Stress Symptome erkennen, Burn-out vorbeugen

Stress macht sich physisch und psychisch deutlich bemerkbar. Typische Burn-out- und Stresssymptome sind:

  • Atembeschwerden, Bluthochdruck, Herzrasen, Schwindelgefühle
  • Gelenk-, Kopf- und Nackenschmerzen
  • Magen-Darm-Erkrankungen
  • Schlafstörungen, chronische Müdigkeit
  • Zuckungen und Muskelkrämpfe

 

Krankschreibung wegen Stress auf Arbeit ist keine Dauerlösung

Die Krankschreibung wegen Stress kann ein paar Tage Ruhe verschaffen. Ihr Hausarzt wird Sie vermutlich fragen, ob Ihre Schlaflosigkeit mit Stress am Arbeitsplatz zusammenhängt. Sprechen Sie dies deutlich an und schildern Sie, warum es nicht mehr geht. Die eigene Gesundheit ist langfristig wichtiger, als bei Vorgesetzten ein gutes Bild abzugeben. Zudem wird der Arzt Sie nicht dazu zwingen, Ihren Job zu kündigen und erst recht nicht Ihren Chef informieren. Die Krankschreibung wegen Stress kann nach ein paar Nächten der Schlaflosigkeit oder anhaltenden Belastungen und Symptomen, die auf ein Burn-out hindeuten, kurz etwas Besserung bedeuten. Ein paar Tage abschalten kann manchmal Wunder wirken.

Doch bedeutet die Krankschreibung nicht, dass sich etwas an den Ursachen ändert. Wie bei der Krankschreibung wegen einer Erkältung muss die Krankheit behandelt werden, dass Besserung eintritt. Abhängige Beschäftigte, so betont es der Stressreport, leiden darunter, dass sie die Menge der Aufgaben nicht selbst bestimmen könnten. In höheren Positionen, die beispielsweise von Fachwirten, Meistern oder Betriebswirten eingenommen werden, ist ein gewisses Umverteilen und Dirigieren der Aufgaben möglich.

Hilfe suchen und planen gegen Stress

Die Krankschreibung wegen Stress auf Arbeit räumt auch die Symptome der Stressbelastung nicht auf. Bewusstes Abschalten, ein Umdenken in der Organisation und die Suche nach Lösungen bei der Verteilung von Aufgaben mit Management und Vorgesetzten sind wichtig, um wirklich dauerhaft gesund zu bleiben.

Bei zu häufiger Krankschreibung und anhaltender Stressbelastung bis hin zur Arbeitsunfähigkeit besteht ein großes Risiko für den Lebensstandard. Suchen Sie also mit Arzt, Familie, Mitmenschen, Kollegen und Vorgesetzten aktiv nach Lösungen, um dem Stress während Situationen mit besonderer Belastung einhalt zu gebieten. Manchmal wirkt der Alltag erdrückend, eine Krankschreibung wegen Stress kann dann wichtige Ruhe schaffen und Kraft für Lösungen spenden. Als Dauerlösung ist das Krankschreiben wegen Stress nicht geeignet.