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Videos fördern Illusion von Wissen

Videos gehören für viele zum Lernen einfach dazu - egal ob in der Schule, beim Studium oder in der beruflichen Bildung. 

Auf YouTube, in Onlinekursen und in Lernplattformen sind Erklärvideos schnell gefunden und scheinbar ideal: kurz, anschaulich und leicht verständlich. Doch was auf den ersten Blick überzeugt, ist nicht automatisch gut für echten Lernerfolg.

Aktuelle Studien zeigen: Lernen mit Videos kann trügen - vor allem dann, wenn das Gefühl von Verständnis stärker ist als das tatsächliche Verstehen.

Erklärvideos vermitteln oft mehr Schein als Sein

Viele Lernvideos sind unterhaltsam, visuell ansprechend und wirken sofort einleuchtend. Doch genau darin liegt eine Gefahr, die in der Bildungsforschung als "Verstehensillusion" beschrieben wird. Das bedeutet: Lernende glauben, den Inhalt verstanden zu haben - obwohl sie ihn oft nur oberflächlich aufgenommen haben.

Ein Beispiel aus der Studie zeigt: Wenn Videos vereinfachte oder sogar falsche Erklärungen enthalten, können diese falschen Inhalte sich besser einprägen als fachlich richtige. Und weil solche Videos leichter zugänglich wirken, werden sie als besonders verständlich wahrgenommen - auch wenn sie das eigentliche Lernen behindern.

Kurzvideos fördern oberflächliches Lernen

Besonders deutlich zeigt sich dieser Effekt bei besonders kurzen Videos, wie sie aus sozialen Medien bekannt sind. Studien belegen: Wer regelmäßig kurze Lernvideos konsumiert, neigt dazu, Informationen nur oberflächlich zu verarbeiten. Die Fähigkeit zum langsamen, reflektierten Denken kann dadurch langfristig eingeschränkt werden.

Der schnelle Reiz der Bilder, kombiniert mit klaren Aussagen, suggeriert Wissen - aber es bleibt oft beim reinen Wiedererkennen. Das tiefergehende Verstehen, wie es für Prüfungen oder den Transfer in die Praxis notwendig ist, kommt zu kurz.

Lernen aus der Konserve: keine Interaktion, keine Flexibilität

Hinzu kommt ein strukturelles Problem des Mediums: Videos sind von Natur aus linear. Inhalte werden in einer festen Abfolge präsentiert - ganz gleich, ob man etwas bereits verstanden hat oder gerne tiefer einsteigen würde.

Noch schwerer wiegt, dass Lernvideos keine Interaktivität ermöglichen. Rückfragen sind nicht vorgesehen, vertiefende Nachfragen nicht möglich. In der Didaktik spricht man deshalb gelegentlich abwertend von der "Konserve" - ein starrer Informationsstrom, bei dem die Lernenden passiv bleiben. Gerade bei komplexeren Inhalten oder individuellen Verständnisfragen kann das zu echten Lernhürden führen.

Fehlende Qualitätssicherung bei Video-Inhalten

Ein weiteres Problem: Auf Plattformen wie YouTube sind Likes, Klickzahlen und Kommentare kein verlässlicher Hinweis auf die Qualität eines Lernvideos. Große Kanäle verfolgen oft nicht primär pädagogische Ziele, sondern richten sich nach Reichweite und Sichtbarkeit.

Studien zeigen, dass viele beliebte Erklärvideos fachliche Fehler enthalten, die sich oft an weitverbreiteten Missverständnissen orientieren - sogar in technischen oder naturwissenschaftlichen Themen. Das macht sie zwar leicht nachvollziehbar, erschwert aber das Lernen eines korrekten Fachverständnisses.

Verstehen statt auswendig lernen: Was wirklich zählt

Gerade auch in der beruflichen Weiterbildung kommt es darauf an, nicht nur Inhalte wiederzugeben, sondern Zusammenhänge zu erkennen und in der Praxis anzuwenden. Wer sich auf die Fachwirtprüfung, den Industriemeister oder eine ähnliche Qualifikation vorbereitet, braucht nachhaltiges Wissen, kein oberflächliches Faktenwissen.

Erklärvideos können dabei ein unterstützender Baustein sein - aber nur dann, wenn sie Teil eines aktiven Lernprozesses sind. Entscheidend ist, dass Lernende nicht nur konsumieren, sondern sich mit dem Stoff aktiv auseinandersetzen, hinterfragen, anwenden und reflektieren.

Fazit: Videos sind nützlich - aber nicht automatisch effektiv

Lernen mit Videos hat seine Berechtigung - besonders als Einstieg oder zur Veranschaulichung. Doch wer auf echte Lernerfolge setzt, sollte sich bewusst machen: Verstehen entsteht nicht beim Zuschauen, sondern durch aktives Tun, Wiederholen und Anwenden.

Für nachhaltiges Lernen braucht es Methoden, die zum Mitdenken anregen, falsche Vorstellungen korrigieren und tiefes Verständnis fördern.

Linkempfehlung: https://www.tagesschau.de